Das junge Paar wäre ein Glücksfall für die Klatschpresse gewesen, der 18 Jahre alte Kaiser Otto II. und Theophanu, die Kaiserin, das dreizehnjährige Mädchen aus dem fernen Byzanz. Eine exotische Prinzessin, nun ja, eigentlich keine Prinzessin, nur die angeheiratete Nichte des amtierenden byzantinischen Kaisers, der per Putsch an seine neue Stelle gekommen war. Aber man konnte es ja halten wie Otto der Große, der 973 verstorbene Schwiegervater Theophanus, der das Mädchen einfach als Prinzessin betrachtet hatte. Das junge Paar führte ein unstetes Leben, weniger aus Neigung, mehr aus Notwendigkeit. Die meisten mittelalterlichen Herrscher waren ständig unterwegs. Otto und Theophanu reisten durch ihr Reich. Im Jahr kamen so zwischen 2500 und 3000 km zusammen und das bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km pro Tag. Der Kaiser und seine Entourage verbrachten den größten Teil ihres Lebens auf dem Pferderücken. Bequem war das nicht und auch nicht gesund. Ob man Theophanu darauf vorbereitet hatte, dass sie ein Leben aus der Truhe würde führen müssen? Aus Byzanz war sie schließlich anderes gewöhnt. Dort residierte der Kaiser in seiner Hauptstadt Konstantinopel. Einen Palast hatte er auch.
Elfenbeinrelief mit Otto II. und Theophanu. Christus krönt (oder segnet) die deutlich kleineren Figuren Ottos II. (links) und der Theophanu (rechts). Alle drei Figuren stehen erhöht auf Fußschemeln. Der unbekannte Stifter der Tafel liegt in demütiger Haltung unter dem Schemel des Kaisers auf dem Boden kniend. Da Kleidung und Inschrift fehlerhaft sind, kann das Relief nicht in Byzanz entstanden sein. Möglicherweise wurde es zwischen 972 und 983 in Süditalien von einem weniger begabten Künstler angefertigt. Es könnte sich aber auch um eine Fälschung aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts handeln.
H. 18,5 cm, B. 10,6 cm. Paris, Musée National du Moyen Age.
Die fremde Frau
Otto II. war zwar schon mit sechs Jahren zum König gekrönt worden, doch sein übermächtiger Vater hatte nicht zugelassen, dass er persönliche Autorität gewann. Viele Jahre hatte er in Italien verbracht, ohne engeren Kontakt zu den Großen in der Heimat. Seine Frau, die „Griechin“, brachte keine Verbindungen zu den wichtigen Familien im Reich mit in die Ehe. Die Ottonen bevorzugten, ganz anders als die Karolinger, Frauen aus der Fremde. Otto der Große war mit einer angelsächsischen Prinzessin verheiratet worden, um seinen Rang als alleiniger Thronfolger gegenüber seinen Brüdern zu erhöhen. Und hatte in zweiter Ehe Adelheid, eine burgundische Königstochter und Witwe eines italienischen Königs geheiratet, eine äußerst wohlhabende Frau mit viel Grundbesitz und exzellenten Verbindungen in Italien. Auch nach dem Tod ihres Mannes behielt Adelheid ihren Einfluss. Wie es scheint, nicht immer zur Freude ihres Sohnes und ihrer Schwiegertochter.
Fürsprecherin und Mutter
Erst ab 975, da lagen zwei „Lehrjahre“ hinter ihr, taucht Theophanu öfter als Intervenientin, als Fürsprecherin, in den Urkunden auf. Wer ein Anliegen hatte, wandte sich an eine Person am Hof, häufig war das die Königin/Kaiserin, die sich dann für den Bittsteller einsetzte. Theophanu gewann an Einfluss und Adelheid zog sich vom Hof zurück. In dieser Zeit bekam die junge Kaiserin in fünf Jahren vier Kinder. Der ersehnte Thronfolger Otto III. wurde nach drei Mädchen im Sommer 980 im Wald auf dem Weg in die Pfalz Nimwegen geboren. Das war sicher nicht geplant, vielleicht war es eine Frühgeburt, denn es scheint, als habe Theophanu Zwillinge zur Welt gebracht. Nur der männliche Zwilling überlebte, die Schwester des kleinen Otto starb kurz nach der Geburt. Jedenfalls stiftete Otto II. im Oktober 980 in Frankfurt eine Kapelle für das Seelenheil seiner Tochter.
Plötzlich Witwe
Bereits Ende Oktober 980 brach das Kaiserpaar mit dem Säugling nach Italien auf. Otto II. plante einen Feldzug gegen die Sarazenen, die Süditalien unsicher machten. Die Militäraktion im Juli 982 endete in einem Desaster. Trotz der 2000 Panzerreiter, die der Kaiser nach Italien beordert hatte. Otto II. kam knapp mit dem Leben davon, nur um ein Jahr später im Dezember 983 in Rom an der Malaria zu sterben. Sein dreijähriger Sohn war kurz zuvor zum König gewählt worden. Man hatte das Kind nach Aachen zur Krönung gebracht. Mitten in die Festlichkeiten platzte die Nachricht vom Tod des Vaters. Otto II. wurde in Rom in der Peterskirche beigesetzt.
Die Regentin
Schlagartig hatten sich die machtpolitischen Verhältnisse geändert. Der dreijährige König war jenseits der Alpen, seine Mutter und Großmutter befanden sich in Italien. In diesem Machtvakuum übergab man den König Heinrich dem Zänker, dem nächsten männlichen Verwandten und erbitterten Gegner des verstorbenen Kaisers. Der Zänker wollte seinen Anteil an der königlichen Macht, doch das Netzwerk der ottonischen Anhänger arbeitete für den kleinen König. Theophanu und Adelheid konnten nach einigen Monaten ins Reich zurückkehren. Man übergab Theophanu das Kind und „die Griechin“ übernahm die Regentschaft. Das hatte es seit vielen hundert Jahren nicht mehr gegeben. Theophanu hatte durch die Krönung und Salbung durch den Papst eine herausgehobene sakrale Stellung, in Urkunden wurde sie zu Lebzeiten ihres Mannes als consors imperii (Teilhaberin an der Herrschaft) und coimperatrix (Mitkaiserin) bezeichnet. Theophanu führte mit einem Beraterstab die Regierung, aber man hielt die Fiktion einer selbständigen Herrschaftsausübung des Kindes aufrecht. Es ist strittig, inwieweit die Kaiserin eigene Akzente setzte. Auffallend ist eine geringe Urkundenproduktion während ihrer Regentschaft. Die Forschung ist sich nicht ganz einig, ob das positiv oder negativ zu werten ist. 989 unternahm Theophanu eine Italienreise ohne ihren Sohn, um am Grab ihres Mannes zu beten. In Italien urkundete sie selbst, einmal sogar in der männlichen Form als Kaiser und Augustus. Das war zwar in Byzanz üblich und insofern möglicherweise ein Statement der Kaiserin, es könnte sich aber auch nur um einen Fehler des Schreibers gehandelt haben. Stoff für Historiker.
Ein früher Tod
In späteren Zeiten kritisierte man Theophanu für ihren angeblich zu luxuriösen Kleidungsstil, der auf die bislang so genügsamen ottonischen Frauen abgefärbt habe. Auch machte man sie für die Niederlage Ottos II. in Italien verantwortlich, aus Ehrgeiz habe sie ihn in diesen Krieg getrieben und für sein Versagen verspottet. Hier brechen sich Animositäten gegen eine mächtige und erfolgreiche Frau Bahn. Quellenmäßig lassen sich diese Vorwürfe nicht belegen. Vermutlich sah Theophanu selbst ihre wichtigste Aufgabe darin, ihrem Sohn die Herrschaft ungeschmälert zu sichern. 991 starb sie mit ungefähr 30 Jahren in Nimwegen. Man begrub die Kaiserin ihrem Wunsch entsprechend in Köln in St. Pantaleon. Theophanu hatte Reliquien des in Byzanz verehrten frühchristlichen Märtyrers nach Köln gebracht. Ihr Sohn war bei ihrem Tod elf Jahre alt, die Vormundschaft übernahm bis 994 seine Großmutter Adelheid.
„Wohl war sie von schwachem Geschlecht, doch eignete ihr Zucht und Festigkeit und ein trefflicher Lebenswandel was in Griechenland selten ist; so wahrte sie ihres Sohnes Herrschaft mit männlicher Wachsamkeit...“, meinte der Zeitgenosse Thietmar von Merseburg. Wie man sieht, sind Vorurteile keine Errungenschaft der Neuzeit.
Zitat aus: Thietmar von Merseburg. Chronik. Neu übertragen und erläutert von Werner Trillmich, Darmstadt 2011 (Wissenschaftliche Buchgesellschaft)
Wie es zur Hochzeit von Theophanu und Otto II. kam, erfahren sie im ersten Teil von "Die Griechin" (hier klicken).
Mehr lesen: Otto I. und Otto II. Anspruch und Ambitionen. Leseprobe. (hier klicken)