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Orte der Geschichte - Snorris Pot

Es empfiehlt sich, schwierige Verhandlungen (Koalitionsbildung!) an angenehmen Orten zu führen. In heißem Wasser zum Beispiel. Das baut Spannungen ab. Die Isländer setzen sich dazu gerne in einen Hot Pot. Das machen sie schon seit mehr als 1000 Jahren so. Islands berühmtester Hot Pot gehörte Snorri Sturluson. Noch nie von ihm gehört? Snorri dichtete, seine Werke gehören zur Weltliteratur. Man nennt ihn auch den „Homer Islands“. Er war aber auch ein skrupelloser Machtmensch, der mit seinen Gefolgsleuten gerne mal im Pot abkochte.

Snorralaug in Reykholt
Snorris Hot Pot in Reykholt. Beliebter Fotostop. Aber bitte kein Bad nehmen.

Snorri wurde im Winter 1178/1179 geboren. Im Alter von drei oder vier Jahren kam er als eine Art Geisel an den Herrschersitz Oddi im Süden Islands. Oddi war ein Zentrum isländischer Gelehrsamkeit. Der Junge erwies sich als talentiert, er erhielt Unterricht in Lesen, Schreiben, Theologie, Latein, Geographie und Recht. Snorri galt als einer der belesensten und gebildetsten Männer seiner Zeit. Er war ein Meister der Sprache, der isländische Shakespeare, um noch einen Vergleich zu bemühen. Ihm zugeschrieben werden die Prosa-Edda, eine Art Handbuch für Skalden (= Dichter), das sich mit der nordischen Mythologie auseinandersetzt und die Heimskringla, eine Sammlung nordischer Königsgeschichten. Durch seine dichterischen Ambitionen war Snorri allerdings nicht ausgelastet. Er hatte auch ein Faible für Besitz und Macht. Vorteilhafte Heiraten und gute Beziehungen machten ihn zu einem der reichsten Männer Islands. 

1206 zog er nach Reykholt im Westen Islands. Dort findet sich der Snorralaug, Snorris Hot Pot, gespeist von einer nahen heißen Quelle. Der Boden des Beckens und die Wasserleitung werden auf das 10. Jahrhundert datiert, es ist eines der ältesten erhaltenen Bauwerke Islands. Die heutige Form geht auf Snorri zurück. Zehn Mann konnten hier gemeinsam planschen (vielleicht auch Frauen, so versiert bin ich nicht in der Pot-Geschichte). Damit man nicht ungeschützt durch den eisigen isländischen Wind laufen musste, verband eine Art Tunnel Hof und Pot. Ansonsten ist nicht viel los in Reykholt, was dazu führt, dass etwas ratlose Touristen den Pot aus allen erdenklichen Winkeln fotografieren. Es ist eben ein nicht ganz so spektakulärer Ort der Geschichte.    

Auch nett: Die alte Kirche in Reykholt. Erbaut im 19. Jahrhundert.
Auch nett: Die alte Kirche in Reykholt. Erbaut im 19. Jahrhundert.

Doch zurück zu Snorri. 1218 unternahm er seine erste Reise nach Norwegen, wo der sehr junge König Hákon ihn in seine Gefolgschaft aufnahm und ihn zum Schüsselreicher und Mundschenk ernannte. Die Norweger hatten schon lange ein Auge auf Island geworfen und versucht, über die Christianisierung Einfluss zu gewinnen. Man besetzte die beiden isländischen Bischofssitze kurzerhand mit Norwegern. Snorri versprach, sich für die norwegischen Interessen zu verwenden. Reich beschenkt segelte er wieder heim, wo er, da man ihm mit Misstrauen begegnete, nichts weiter unternahm. Aber es gab noch andere Isländer am norwegischen Königshof. Der König beauftragte sie, ihm unliebsame isländische Anführer auszuschalten. Auf Island herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände. 1237 reiste Snorri erneut nach Norwegen. Schlechter Zeitpunkt, denn dort tobte gerade ein Machtkampf. Als Snorri 1239 erfuhr, dass seine Familie in Island besiegt worden war, wollte er so schnell wie möglich nach Hause. Nun konnte man als Gefolgsmann eines Königs nicht einfach gehen, wohin man wollte. Man brauchte die Erlaubnis des Königs und Hákon verweigerte sie. Snorri reiste trotzdem. Der König nahm das ausgesprochen übel und beauftragte Snorris Ex-Schwiegersohn, ihn tot oder lebendig nach Norwegen zurück zu bringen. Der Ex-Schwiegersohn wartete erst mal ein Jahr, dann sammelte er ein paar Leute, die Snorri und einige seiner Söhne im Keller seines befestigten Gehöfts in Reykholt aufspürten und erschlugen. Das war im Jahr 1241. Snorri hatte offensichtlich ein bisschen zu viel taktiert. 

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