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Fünfzig Wege eine Königin zu verlassen - Teil 1

Wenn man heute seinen Ehepartner nicht mehr ertragen kann, geht man zum Anwalt und ist nach einer vergleichsweise unkomplizierten Prozedur wieder frei für eine neue Ehe. Im Jahr 857 war es wesentlich schwieriger, einen ungewollten Ehepartner loszuwerden. Scheidung war eine religiöse, eine politische und nicht zuletzt eine Machtfrage. Lust auf alten Klatsch? Auf einen der schmutzigsten Scheidungskriege der Geschichte? Ort: der lotharingische Königshof. Beteiligte: Lothar II., Theutberga, Waldrada und einige andere. Dauer: 12 Jahre. Verleumdung, Meineid, Gewalt, zwei Päpste und der Untergang eines Königreiches - das kann nicht einmal Brangelina toppen. 

Eine gute Partie

855 heiratete Lothar II., ein Urenkel Karls des Großen, Theutberga. Der Zwanzigjährige hatte gerade die Herrschaft über sein Reichsteil, das spätere Lothringen, angetreten und konnte etwas Unterstützung gebrauchen. Seine Ehefrau stammte aus einer mächtigen und gut vernetzten Familie. Ihr Bruder Hugbert, Laienabt mehrer Klöster, nicht zu übergehender Machthaber im Alpenraum, war einer der engsten Berater des verstorbenen Königs gewesen. Die Heirat zwischen seiner Schwester Theutberga und dem neuen König schuf eine sehr mächtige politische Allianz. Ehen in früheren Zeiten wurden nicht aus Liebe geschlossen. Sie dienten dem Machterhalt und der Mehrung des Besitzes. Wenn die Ehepartner Glück hatten, hielten sie es miteinander aus und begegneten sich mit Respekt. Männer konnten immerhin auf Geliebte ausweichen, für Frauen war das nur schwer möglich (auch wenn es vorkam). Lothar hatte wohl bereits vor seiner Hochzeit eine Konkubine namens Waldrada. Sie stammte aus vornehmer Familie. Das war nicht das Übliche. Frauen aus solchen Familien wurden normalerweise gut behütet. Man brauchte sie als potentielle Ehefrauen. Ein Leben als Konkubine war nicht das, was ein ehrbewusster Adliger sich für seine Tochter wünschte. Möglicherweise war Waldrada als Ehefrau vorgesehen gewesen. Nur kam eben Theutberga dazwischen.    

Liebes-Aus am Königshof - Das schreckliche Geheimnis der Königin

Bereits zwei Jahre nach der Hochzeit versuchte Lothar, seine Ehefrau loszuwerden. Die Begründung: entsetzliche Gerüchte. Selbst die Frauen in den Webhäusern zerrissen sich das Maul über die Königin. Vor der Hochzeit soll der mächtige Hugbert seine Schwester zum Beischlaf gezwungen haben und zwar nach der Art „wie es Männer mit Männern tun“. Sodomie nannte man das im Mittelalter. Außerdem soll Theutberga ein Kind aus dieser inzestuösen Beziehung abgetrieben haben. Das waren ungeheuerliche Vorwürfe, die den Ruf der Königin (und ihrer ganzen Familie) irreparabel beschädigen mussten. Was der eigentliche Grund für Lothars Scheidungsbegehren war, ist nicht ganz klar. Möglicherweise wollte er sich von dem Einfluss Hugberts befreien. Möglicherweise fand er seine Ehefrau auch einfach nur unerträglich. Auf jeden Fall wollte er mit Waldrada zusammenleben. Pech für den König, dass Polygamie nicht mehr üblich war. Noch Lothars Ururgroßvater hatte vermutlich zwei Ehefrauen. Und sein Urgroßvater Karl der Große schickte eine Ehefrau, die nicht mehr in sein politisches Konzept passte, einfach zurück zu ihrem Vater und heiratete dann die nächste. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Auch für einen König. Lothar musste eine Scheidung erreichen und zwar so, dass die Kirche ihm eine zweite Ehe erlaubte. Mit Waldrada, die für die Kirche eine Ehebrecherin war.    

Theutberga - verleumdet und gequält?

Der Wahrheitsgehalt der Beschuldigungen gegen Theutberga ist nicht zu überprüfen. Es ist nicht auszuschließen, dass Hugbert seine Schwester sexuell missbraucht hatte. Der Laienabt galt als gewalttätig und ausschweifend. Lothar bemühte für sein Scheidungsbegehren zunächst weltliche Gerichte. Der Versuch Eidhelfer zu finden, die den guten Leumund der Königin bezeugten, scheiterte. 858 stellte sich Theutberga einem Gottesurteil. Das war das übliche Verfahren. Die Königin unterzog sich nicht selbst der schmerzhaften Prozedur, bei der man einen Stein oder Ring aus einem Kessel mit kochendem Wasser holen musste, sondern eine Stellvertreterin. Die Hand der Frau heilte ohne Komplikationen, damit war Theutbergas Unschuld erwiesen. Lothar musste seine Gemahlin wieder aufzunehmen. Er soll sie gefangen gehalten haben, in sein Bett ließ er sie jedenfalls nicht. Hugbert fasste Lothars Vorgehen zu Recht als Kriegserklärung auf und begann eine Art Guerillakrieg bis zu seinem Tod 864.    

Die Königin gesteht

860 brachte Lothar den Fall vor die Bischöfe seines Reiches. Am 9. Januar kamen 4 Bischöfe und 2 Äbte zusammen. Theutberga erklärte, sie sei unwürdig, als verheiratete Frau zu leben und bat darum, in ein Kloster eintreten zu dürfen. Auf einer zweiten Synode Mitte Februar musste sich die Königin vor einem größeren Kreis verantworten. Sie übergab ein Dokument, in dem sie bekannte, was ihr Bruder ihr angetan hatte. Sowohl Theutberga als auch Lothar wurden ausgiebig befragt. Die Bischöfe wollten vor allem wissen, ob der König Druck auf seine Frau ausgeübt habe. Lothar verneinte das natürlich. Manche meinten allerdings, der Königin sei mit Folter gedroht worden. Die Bischöfe verhängten eine Buße und schickten Theutberga ins Kloster. Damit war die Ehe geschieden. Noch im selben Jahr flüchtete Theutberga ins westfränkische Reich, wo sie Karl der Kahle, der Onkel Lothars, in seinen Schutz nahm. Theutberga widerrief ihr Geständnis. Sie und ihre Familie weigerten sich, die in Aachen gefallene Entscheidung anzuerkennen und wandten sich an den Papst. Woraufhin Lothar sofort zwei Bischöfe gen Rom sandte. 

Neues Glück für Lothar?

862 rief Lothar erneut eine Synode ein. Er wollte seine Ehe annullieren lassen. „Um das Feuer seiner Jugend zu löschen“, wünsche er, sich wieder verheiraten. Die Bischöfe stimmten zu. Lothar heiratete Waldrada und Waldrada wurde Königin. Sie gebar ihm vier Kinder, drei Töchter und den Sohn Hugo. (Der Name ist etwas merkwürdig. Einem Sohn, den man als Thronanwärter sah, hätte man allerdings einen guten karolingischen Namen gegeben, Karl, Ludwig oder Lothar und nicht ausgerechnet Hugo. Diesen Namen hatte ein unehelicher Sohn Karls des Großen getragen.) Die Ehe mit Theutberga war kinderlos geblieben. Kein Wunder. Lothar bat beim Papst um eine Bestätigung der Annullierung. Im Juni 863 billigten päpstliche Gesandte die Entscheidung der lotharingischen Bischöfe. Es soll Bestechung im Spiel gewesen sein. Aber das war noch nicht das Ende des Dramas. Ein paar Monate später sah alles schon wieder ganz anders aus.

Fortsetzung folgt...

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