Was immer frau auch aus ihrem Leben machen wollte, es endete im Kloster. Jedenfalls für frühmittelalterliche Königstöchter, die entweder schon als Kind von ihrer Familie ins Kloster gegeben wurden oder sie heirateten, wurden Witwe, und gingen dann ins Kloster (außer sie starben vorher im Kindbett oder an irgendeiner Krankheit). Wollte sich eine Frau dem ihr vorbestimmten Schicksal entgegenstemmen, dann um sich einer Heirat zu verweigern und selbstbestimmt den Schleier zu nehmen. Zum Beispiel Radegunde, thüringische Prinzessin, Gefangene, Ehefrau, Königin, Nonne, Heilige.
Eine kostbare Beute
Radegunde muss eine willensstarke Frau gewesen sein - trotz traumatischer Kindheitserlebnisse. Um das Jahr 530 unterlagen die Thüringer den Franken und Radegunde, Tochter des thüringischen Königs, fiel zusammen mit ihrem Bruder in die Hände der Franken. Sie war ungefähr zehn Jahre alt, Waise, von der restlichen Verwandtschaft lebte nur noch ein Cousin in Byzanz. Die wertvolle Kriegsbeute ging an den fränkischen König Chlothar I., angeblich hatte er mit seinem Halbbruder um sie gewürfelt. Chlothar ließ das Mädchen auf sein Königsgut Athies bringen, wo sie eine christliche Erziehung erhielt und Lesen und Schreiben lernte. Das war das übliche Verfahren bei hochrangigen weiblichen Kriegsgefangenen, die noch nicht im heiratsfähigen Alter waren. Chlothar war ein frühmittelalterlicher Warlord, kein Sympathieträger. Er heiratete nach dem Tod seines Bruders dessen Witwe und soll seine beiden Neffen eigenhändig ermordet haben. Chlothar hatte selbst nach den Maßstäben der Zeit einen hohen Frauenverschleiß.
Ehefrau wider Willen
Radegunde entwickelte eine Neigung zu extremer Religiosität. Um das Jahr 540 entschloss sich der mehr als 20 Jahre ältere Chlothar, die junge Frau zu heiraten. Radegunde soll sich diesem Ansinnen zunächst durch Flucht entzogen haben, allerdings vergeblich. Wahrscheinlich hatte Chlothar zu dieser Zeit bereits eine andere (offizielle) Ehefrau, fränkische Könige lebten schon mal polygam. Die Ehe blieb kinderlos und war für beide Seiten anstrengend. Radegunde fügte sich nicht in das, was man von einer Königin erwartete, aß bei Tisch ständig Hülsenfrüchte, bat des Nachts, zwecks Verrichtung eines menschlichen Bedürfnisses aufstehen zu dürfen, nur um ausdauernd auf dem Boden liegend zu beten. In der Umgebung des Königs murrte man: Chlothar habe eher eine Nonne als eine Königin zur Gattin. Wir wissen das von ihren Biografen, die bestrebt waren, Radegundes Keuschheit herauszustellen. Den Jungfrauen (weiblichen und männlichen!) gehörte das Himmelreich, die Ehe war ein notwendiges Übel, um die Triebe zu kanalisieren. Wenn der Mensch schon sündigen musste, dann in geordneten Bahnen und möglichst selten.
Radegundes Flucht
Nach etwa zehnjähriger Ehe verließ Radegunde ihren Ehemann. Anlass war vermutlich die Ermordung ihres Bruders, die Chlothar als Vergeltung für einen Aufstand der Thüringer angeordnet haben soll. Möglicherweise spielte auch die Kinderlosigkeit eine Rolle. Sie ging nach Soissons, wo sie den dortigen Bischof massiv nötigte, sie zur Diakonin zu weihen. (Diakoninnen gab es im Westen vereinzelt noch bis zum 8. Jahrhundert, aber eigentlich hatte der Titel schon ausgedient.) Das Zögern des Bischofs war verständlich, warf man ihm doch vor, dem König durch die Weihe die rechtmäßige Gattin zu entziehen. Radegunde bezog zunächst ein Gut, das der König ihr bei der Hochzeit überlassen hatte.
Die Aussöhnung
Chlothar versuchte, sie zur Rückkehr zu bewegen. Die Königin schaltete den Bischof von Paris als Vermittler ein. Frühmittelalterliche Krisenbewältigung in den Formen der Kirchenbuße: Der Bischof warf sich vor Chlothar ausgestreckt zu Boden und beschwor ihn, auf seine Ehefrau zu verzichten. Der König erkannte, dass er einer solchen Ehefrau unwürdig sei, warf sich im Gegenzug ausgestreckt vor dem Bischof zu Boden und schickte ihn zu Radegunde, damit der sich stellvertretend für den König zu Radegundes Füßen werfe und um Vergebung bitte. Der alternde König mochte um sein Seelenheil fürchten, außerdem konnte es nicht schaden, eine potentielle Heilige in der Familie zu haben. Die Überwindung von familiären Widerständen gehört zu jeder besseren Heiligengeschichte. Auch in Fällen, von denen wir genau wissen, dass die Familie die spätere Heilige/den späteren Heiligen von Anfang an unterstützte. Chlothar stattete Radegunde großzügig mit allem Notwendigen aus, damit diese ein Kloster gründen konnte und zwar mitten in Poitiers in bester Lage. Alle zufrieden? Ja, bis auf den Bischof von Poitiers, der den Plänen nichts abgewinnen konnte.
Wie es mit Radegunde und ihrem Kloster weitergeht, lesen Sie nächste Woche: Nonne mit Einfluss.
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