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Fünfzig Wege eine Königin zu verlassen - Teil 2

Wenig Hoffnung für Lothar und Theutberga
Wenig Hoffnung für Lothar und Theutberga

Zwei Drittel der Deutschen glauben an die große Liebe. Wenn es ans Heiraten geht, spielen allerdings auch praktische Gründe eine Rolle. Finanzielle Absicherung und Steuerersparnis beflügeln die Bereitschaft zum Ja vor dem Traualtar. Das nicht unbedingt von Dauer sein muss. Dabei ist das Geheimnis einer guten Ehe ganz einfach: eine glückliche Ehefrau. „Happy wife - happy life“ sagt ein amerikanisches Sprichwort. Man kann es aber auch wie Oscar Wilde sehen: „Zu einer glücklichen Ehe gehören meist mehr als zwei Personen.“ Zu einer unglücklichen auch. Wie der Ehekrieg zwischen Lothar, Theutberga und Waldrada beweist. Im Oktober 863 beginnt die zweite Runde. Der Papst schaltet sich ein.    

Was bisher geschah

König Lothar II. hat eine Ehefrau (Theutberga) und eine Geliebte (Waldrada). Er möchte sich von seiner Ehefrau scheiden lassen und seine Geliebte heiraten. Um sein Ziel zu erreichen, fährt Lothar schweres Geschütz auf. Er wirft seiner Frau ein voreheliches Verhältnis mit ihrem Bruder vor. Nach einigem Hin und Her erklären die Bischöfe seines Königreiches Lothars Ehe für ungültig und erlauben die Wiederverheiratung. Lothar heiratet unverzüglich seine Geliebte und macht sie zur Königin. Päpstliche Gesandte reisen an und bestätigen die Entscheidung. Stand Juni 863.    

Bringt der Papst Lothar zur Vernunft?

Papst Nikolaus im fernen Rom schäumt. Er beordert die Erzbischöfe von Köln und Trier, für ihn die Hauptverantwortlichen des Desasters, nach Rom. Im Oktober 863 exkommuniziert er die beiden und setzt sie ab. In einem Brief an alle Bischöfe erklärt der Papst die Lösung der lotharschen Ehe für ungültig. Aufgrund seines ehebrecherischen Verhaltens könne Lothar nicht länger als König bezeichnet werden. Es geht um weit mehr als um eine Scheidung. Es geht um eine grundsätzliche Frage: Darf ein König von Bischöfen gerichtet werden? Da gibt es gegensätzliche Positionen. Die Bischöfe, so lautet das Argument der Befürworter, tragen die Verantwortung für das Seelenheil des Herrschers. Sie müssen vor dem Jüngsten Gericht Rechenschaft ablegen. Ein König, der nicht auf den Rat seiner Bischöfe hört, ist ungeeignet für sein Amt. Die Gegner argumentieren, ein König könne nur von Gott allein gerichtet werden. „Das Herz des Königs ist in der Hand Gottes, er lenkt es, wohin er will“, heißt es in der Bibel. Für Papst Nikolaus ist die Sache klar: Er urteilt über den König. Und hebt Beschlüsse eines Konzils auf.    

Hat ihre Ehe eine Chance?

Lothar ist Teil eines höchst variablen Machtgefüges. Da sind seine beiden mächtigen Onkel Karl der Kahle und Ludwig der Deutsche. Beide haben kaum Interesse daran, dass ihr Neffe seinen Sohn Hugo, den er mit Waldrada hat, durch eine Ehe mit der Mutter legitimiert. Bisher war es Lothar immer gelungen, seine beiden Onkel gegeneinander auszuspielen. Doch im Februar 865 treffen sich die beiden und fordern ihren Neffen auf, eine Lösung für die verfahrene Situation zu finden. Lothar hat kaum eine andere Wahl, als seine alte Ehefrau zurückzunehmen. Vermittler haben in den nächsten Monaten eine Menge zu tun. Am 3. August 865 nimmt Lothar Theutberga in aller Öffentlichkeit und in allen Ehren wieder als Königin und Ehefrau auf. Vorher müssen zwölf von Lothars mächtigsten Männern eidlich versichern, dass Theutberga gut behandelt werden wird. Der päpstliche Beobachter berichtet erfreut nach Rom, dass Theutberga und Lothar gemeinsam die Messe besuchten, zusammen eine Mahlzeit einnahmen und gerüchteweise auch das Bett teilten. Waldrada muss Lothar verlassen, sie soll den päpstlichen Gesandten nach Rom begleiten. Doch unterwegs weigert sie sich, weiterzugehen und kehrt einfach um. Zurück zu Lothar.    

Theutberga hat genug

Vermutlich will keiner der beiden Ehepartner ernsthaft eine Versöhnung. Das Paar rückt zusammen, aber nur, um eine neue Strategie auszutüfteln. 866 bittet Theutberga den Papst selbst um eine Auflösung ihrer Ehe. Sie nennt zwei Gründe, zum einen ihre Unfruchtbarkeit, zum anderen sei Lothar zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung bereits mit Waldrada verheiratet gewesen. Das macht aus Waldrada eine rechtmäßige Ehefrau und keine Ehebrecherin. Theutberga möchte ihren Fall selbst dem Papst in Rom vortragen. Die Königin hat sich ein wenig Freiraum erkämpft. Sie will eine Scheidung - aber zu ihren Bedingungen. Und sie lässt sich dieses Entgegenkommen teuer bezahlen. Leider erweist sich der Papst als starrköpfig. Im Januar 867 schreibt er einen Brief. Darin erklärt er, dass Lothar niemals die Ehebrecherin Waldrada zur Ehefrau nehmen dürfe, selbst im Fall von Theutbergas Tod. (Falls Lothar der Gedanke kommen sollte, seine ungeliebte Gattin zu meucheln.) Er verbietet der Königin ausdrücklich, von Lothars Seite zu weichen. Also keine Reise nach Rom. Ihrem Wunsch, ein Leben in Keuschheit zu führen, könne nur entsprochen werden, wenn Lothar sich ebenfalls dazu verpflichte. Dann exkommuniziert der Papst noch Waldrada.    

Kleiner Exkurs: Heirat und Scheidung

Das Problem an Ehescheidungen war, dass es keine verbindlichen Regeln gab. Eigentlich gab es das noch nicht einmal für Eheschließungen. Eine legale Ehe konnten nur Freie eingehen, die Frau musste im Fall ihrer Witwenschaft finanziell abgesichert sein, außerdem sollten noch die Eltern zustimmen und nach Ansicht der Kirche auch die zukünftigen Ehepartner. Der Segen durch einen Priester war für die Rechtmäßigkeit der Eheschließung nicht notwendig. Die Kirche betrachtete die Ehe als ein unlösbares Band, auch über den Tod hinaus. Das machte eine Scheidung schwierig und eine Wiederverheiratung noch schwieriger. Die Position der Kirche war aber nicht einheitlich. Ehebruch und ungewollte Kinderlosigkeit waren die Knackpunkte. Ehebruch konnte zwar ein Scheidungsgrund sein, doch keiner der Partner durfte sich wieder verheiraten, solange der andere noch lebte. Es gab aber auch andere Meinungen. Das Konzil von Verberie erlaubte 756 einem Mann, dessen Frau versucht hatte ihn zu töten, sich wieder zu verheiraten. Unfruchtbarkeit war kein Scheidungsgrund.    

Eine Strafe Gottes?

Ein paar Monate später, am 13.11.867 stirbt Papst Nikolaus. Sein Nachfolger, Papst Hadrian, ist etwas nachgiebiger. Theutberga reist nach Rom und erklärt, sie wolle lieber unter Heiden leben, als weiter mit ihrem Ehemann. Der Papst hat Verständnis und erlaubt ihr eine räumliche Trennung. Außerdem scheint er bereit, Waldradas Exkommunikation aufzuheben. Gute Aussichten für Lothar. Vielleicht kann er endlich seinen Sohn Hugo und seine drei Töchter, die er inzwischen mit Waldrada hat, legitimieren. Im Juni 869 zieht er mit vielen Geschenken nach Rom. Seine Schwägerin hatte das Gespräch vermittelt. Ein Ergebnis erzielt Lothar in Rom nicht, doch er kann sich Hoffnung machen. Aber Lothar ist ein Pechvogel: Auf der Rückreise stirbt er am 8. August in Piacenza am Fieber (und mit ihm viele seiner Begleiter). Die meisten Zeitgenossen sehen das als eine Strafe Gottes. Die beiden Frauen Lothars ziehen sich in verschiedene Klöster zurück. Theutberga schenkt der Kirche San Antonino, in der Lothar begraben liegt, zwei Güter als Stiftung für sein Andenken. Ein versöhnliches Ende? Lothars Onkel übergehen Hugo und teilen Lothars Reich unter sich auf. Im Kampf um sein Erbe wird Hugo gefangengenommen und geblendet. Man kümmert sich in der Abtei Prüm, dem alten karolingischen Hauskloster, um ihn. Lothars Enkel tritt später in die großväterlichen Fußstapfen: Er hat drei Ehefrauen (allerdings nacheinander) und vier Konkubinen, ohne dass ihm das irgendwelche Probleme bereitet.    

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Kommentare: 1
  • #1

    @Henri95 (Sonntag, 23 Juli 2017 20:11)

    Ein interessanter Beitrag der Autorin, die deutlich machen kann, dass die öffentlichen Skandalisierungen des Privatlebens von Machthabern keine Erfindung der Neuzeit sind. Die Story kann es jedenfalls mit denen aus heutigen Illustrierten aufnehmen, nur die Home-Stories und Echtzeit-Berichterstattung in den sozialen Medien fehlen.