Es war eine der besten Entscheidungen seines Lebens. Gerade hatte Gundeland, Abt des Klosters Lauresham (heute Lorsch), einen langwierigen Rechtsstreit gewonnen. Karl der Große höchstpersönlich entschied, dass Gundeland der rechtmäßige Besitzer des Klosters sei. Um das prosperierende Lorsch vor weiteren Begehrlichkeiten zu schützen, schenkte der Abt im Jahr 772 sein Kloster kurzerhand dem König. Das sicherte herrscherlichen Schutz und machte Lorsch noch wohlhabender. Jeder, der dem Kloster zukünftig etwas schenkte, sicherte damit nicht nur sein Seelenheil, sondern machte sich auch beim König beliebt. Lorsch wurde zu einem der reichsten Klöster, die Mönche hatten sich um Besitzungen von der Nordseeküste bis in die heutige Schweiz zu kümmern.
16 Mann und ein Heiliger
764 wurde Lorsch zum ersten Mal erwähnt. Hinter der Gründung standen die Rupertiner, eine Familie mit besten Kontakten zu den herrschenden Karolingern. Die Witwe Williswinda und ihr Sohn ließen die ersten bescheidenen Klosterbauten auf den Resten eines alten römischen Gutshofes errichten. Sie schenkten ihre Neugründung einem mächtigen Verwandten, dem Bischof Chrodegang von Metz. Chrodegang nahm dankbar an, erklärte sich jedoch wegen Überlastung im Dienst für Kirche und König außerstande, sich selbst zu kümmern und übergab das Kloster seinem Bruder Gundeland. Außerdem ordnete er 16 Mönche aus dem Kloster Gorze nach Lorsch ab. Fehlten noch Reliquien. Da traf es sich gut, dass eine diplomatische Mission Chrodegang nach Rom führte, dem Ort unermesslichen Reliquienreichtums. Illegale Wege hatte Chrodegang nicht nötig, er bat den Papst persönlich um eine Gabe für die Klosterkirche. Der Papst, um Goodwill bemüht, übersandte ihm die Überreste des Märtyrers Nazarius. Der Legende nach wurde Nazarius um 304 während der Diokletianischen Christenverfolgung enthauptet. Seinen Leichnam soll der Bischof von Mailand Ende des 4. Jahrhunderts vor den Mauern der Stadt gefunden haben. Chrodegang starb 766 und Gundeland stritt sich mit einem Enkel der Klostergründerin um das Erbe. Noch während der Streitigkeiten zog das Kloster um, auf eine nicht weit entfernte Anhöhe.
Welterbe: Das Lorscher Arzneibuch
„Ich bin genötigt, denen zu erwidern, die sagen, ich hätte dieses Buch unnützerweise geschrieben (...). Jedoch wie taub hörte ich nicht auf ihre Worte, weil ich die Notlage der Hilfsbedürftigen für wichtiger ansah als den Tadel derer, die gegen mich tobten.“ So beginnt die wohl bedeutendste Handschrift aus dem Skriptorium der Lorscher Mönche, das Lorscher Arzneibuch. Entstanden Ende des 8. Jahrhunderts ist es eines der ältesten medizinischen Bücher des abendländischen Mittelalters. In der Einleitung rechtfertigt der unbekannte Mönch die Behandlung Kranker, die von manchen als unzulässiges Eingreifen des Menschen in den Heilsplan Gottes gesehen wurde. Es sei ein Akt der Nächstenliebe auch heidnisches Wissen zur Linderung der Leiden zu verwenden und daher mit dem Christentum vereinbar. „Denn aus drei Ursachen wird der Leib von Krankheiten befallen: aus einer Sünde, aus einer Bewährungsprobe und aus einer Leidensanfälligkeit. Nur dieser letzteren kann menschliche Heilkunst abhelfen, jenen aber einzig und allein die Liebe der göttlichen Barmherzigkeit.“ Doch keinem Kranken dürfe man Hilfe und Unterstützung verweigern. 2013 wurde das Lorscher Arzneibuch von der UNESCO in das Dokumentenerbe Memory of the world aufgenommen.
Die Torhalle
Heute sind nur noch drei Bauten des ehemaligen Klosters erhalten: ein Fragment der Nazarius Basilika aus dem frühen 12. Jahrhundert, ein Abschnitt der Klostermauer und die Königs- oder Torhalle. Letztere ist das einzige vollständig erhaltene Bauwerk aus der Karolingerzeit. Wann genau und zu welchem Zweck es entstanden ist, weiß man nicht. Man vermutet, dass die Torhalle eine Rolle beim Zeremoniell des Herrscherempfangs spielte. Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang mit der Grablege Ludwigs des Deutschen, der 876 bereits einen Tag nach seinem Ableben in Lorsch bestattet wurde. Eine Besonderheit ist das bunte Außendekor, nicht vorgeblendet, sondern gemauert aus rotem Buntsandstein und weißem Kalk- bzw. Sandstein.
Das Kloster Lorsch gehört zum UNESCO Welterbe. Mehr zu entdecken gibt es auf der Webseite des ehemaligen Klosters.
Die Übersetzung des Arzneibuchs kann auf der Webseite der Staatsbibliothek Bamberg eingesehen werden. Die angeführten Zitate wurden aus dieser Übersetzung übernommen.
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Henri (Freitag, 26 Januar 2018 23:40)
Vielen Dank für den spannenden Artikel und die konzise Darstellung der historischen Hintergründe zur Gründung des Klosters!
Anne Mann (Freitag, 09 Februar 2018 21:59)
Danke. Lob freut immer. Vor allem, weil ich bei diesem Beitrag eine Auswahl treffen musste. Man könnte ja noch so viel mehr sagen...