Abd ar-Rahman III., Herrscher über al-Andalus, Kalif von Córdoba, gab sich geschlagen. Wenn er es denn unbedingt wolle, dann könne der standhafte Mönch auch in einem Sack vor ihm erscheinen. Und so trat Johannes, zum Entsetzen der Höflinge lediglich bekleidet mit einer in ihren Augen unstatthaft schlichten Mönchskutte, vor den prächtig gewandeten, auf einem Diwan ruhenden Kalifen. Damit nahm ein sechs Jahre währendes diplomatisches Drama ein versöhnliches Ende. Aus dem Mönch Johannes, Bauernsohn und Organisationstalent, war nach zwanzig Jahren Dienst im Kloster Gorze ein Gesandter geworden. Pflichtbewusstsein und die leise Hoffnung im diplomatischem Dienst das Martyrium zu erleiden, hatten ihn, ganz Mönch und Gottsucher, an den Hof nach Córdoba gebracht.
Eine Gesandtschaft mit Hindernissen
Im Jahr 950 waren Gesandte Abd ar-Rahmans III. nach einer langen und strapaziösen Reise am Hof Ottos des Großen eingetroffen. Angeführt wurde die Gesandtschaft von einem katholischen Bischof. Bei diplomatischen Missionen zu christlichen Herrschern bevorzugte man in Córdoba christliche Würdenträger als Gesandte, sei es aus Höflichkeit, sei es um Missverständnisse zu vermeiden. Der Kalif sei beunruhigt gewesen über die militärischen Erfolge Ottos des Großen, so heißt es in der Vita des Johannes. Er habe deshalb dessen Freundschaft - amicitia - gesucht, wobei amicitia eher ein vertragliches Freundschaftsbündnis meint. Das mag so gewesen sein, sicher ist das nicht.
Das Timing der Gesandtschaft war etwas ungeschickt. Otto war in Italien beschäftigt. Der Hofklerus empfand Teile des Schreibens Abd ar-Rahmans als beleidigend für den christlichen Glauben. Man ließ sich also Zeit und die Gesandten des Kalifen warten. Drei ganze Jahre. Der bischöfliche Leiter der Gesandtschaft war inzwischen gestorben. Bei Hof schob man die Erledigung der leidigen Angelegenheit vor sich her. Der Hofklerus war zwar begierig darauf, den muslimischen Herrscher zu bekehren und seine Angriffe auf das Christentum zu parieren, es fand sich aber niemand, der zum Gegenbesuch nach Córdoba aufbrechen wollte.
Der Ersatzmann
Brun, Bruder des Königs und Kanzler, schob die undankbare Aufgabe dem Bischof von Metz zu, der übertrug sie wiederum dem Abt von Gorze und der beauftragte zwei einfache Mönche. Leider beging einer der beiden eine Nachlässigkeit, weigerte sich, die Strafe zu akzeptieren und steigerte sich in einen ganz und gar unmönchischen Wutausbruch hinein. Dem Abt blieb nichts anderes übrig, als den uneinsichtigen Wüterich aus dem Kloster auszustoßen. Vielleicht hatte der Mönch den Vorfall provoziert, um nicht das ihm vom Abt aufgetragene „Himmelfahrtskommando“ übernehmen zu müssen. Aber das ist nur Spekulation. Der König jedenfalls war nicht amüsiert und befahl, einen anderen zu suchen. Leichter gesagt, als getan. Niemand hatte Lust, sich dieser Aufgabe zu stellen, bis auf Johannes. Johannes hoffte auf das Martyrium und der Abt wollte ihm nicht im Wege stehen. Man schickte Johannes zum König, der akzeptierte den Gesandten und vertraute ihm die schriftlichen Dokumente und die königlichen Gedanken an.
Ein bisschen merkwürdig war das schon. Johannes mochte ein herausragender Verwaltungsfachmann sein, eine besondere Stellung hatte er nicht. Gewöhnlich schickte man höherrangige Geistliche auf diplomatische Missionen. Wollte man den muslimischen Herrscher brüskieren oder traute sich sonst wirklich niemand? Wir wissen es nicht. Man gab Johannes einen landeskundigen Führer und einen Mönch mit auf die Reise. Nach den üblichen Widrigkeiten (Überfall!) kam die kleine Gruppe im Jahr 953/54 in Córdoba an, wo die Mönche ein für ihren Geschmack zu luxuriöses Quartier zugewiesen bekamen. Die Männer standen unter Bewachung und durften das Haus nur nach Anmeldung verlassen. So verfuhr man allerdings auch im ottonischen Reich mit Gesandten fremder Mächte.
Ein standhafter Mönch
Johannes hatte sich offenbar vorgenommen, den christlichen Glauben zu verteidigen, komme was da wolle. Am Hof des Kalifen fürchtete man, der Brief des sächsischen Königs könne zu Irritationen führen. Man hatte wohl von der religiösen Retourkutsche des ottonischen Hofklerus gehört und wollte den Brief vor der Audienz inhaltlich prüfen. Die Berater des Kalifen brachten einen jüdischen Berater, einen Spezialisten für heikle Missionen, ins Spiel. Doch diplomatische Geschmeidigkeit war des Johannes Sache nicht. Es ging ihm um die exakte Erfüllung seines Auftrages und der besagte, dem Kalifen den heiklen Brief persönlich zu übergeben - ohne Änderungen und Abstriche. Die Situation war verfahren. Beim Kirchgang soll Johannes ein Brief zugesteckt worden sein, der mit seiner Hinrichtung und der Auslöschung aller Christen im Kalifat drohte, angeblich im Namen des Kalifen. Es war wohl eher so, dass es auch am Hof Abd ar-Rahmans Kräfte gab, die nicht an diplomatischen Kontakten mit dem sächsischen König interessiert waren. Johannes jedenfalls erklärte, er würde unter keinen Umständen nachgeben, auch wenn man ihm Fingerglied um Fingerglied abschnitte. Er fürchte nichts weniger als den Tod.
Eine diplomatische Lösung
Johannes blieb das Martyrium erspart, vielleicht zu seinem Leidwesen. Nachdem weit mehr als ein Jahr vergangen war, wurde einvernehmlich eine Lösung gefunden: Ein Bevollmächtigter sollte bei Otto neue Instruktionen anfordern. Der Kalif schickte seinen christlichen Berater Reccemund zum König, den er vorher noch zum Bischof von Elvira machte. Ende August 955 erreichte Reccemund Metz und zog erst mal für mehrere Monate mit dem Bischof von Metz durch die Diözese. Anfang Februar 956 kam es dann zu einer Begegnung mit Otto dem Großen, der gerade erfolgreich die Ungarn besiegt hatte. Allzu eilig hatte man es wohl nicht, den Gesandten in Córdoba aus seiner Zwangslage zu befreien. Erst im Juni 956 kehrte Reccemund mit einem abgemilderten Schreiben nach Córdoba zurück.
Dann ging alles ziemlich schnell. Man ließ Johannes mitteilen, er möge sich mit geschorenem Haar, gewaschenem Körper und besserem Gewand auf den Empfang beim Kalifen vorbereiten. Johannes lehnte ab und der Kalif dachte, es fehle dem Mönch an finanziellen Mitteln. Also ließ er ihm Geld zukommen, damit er sich schickliche Kleidung kaufen könne. Johannes nahm das Geld, gab es den Armen und wollte sich nicht von seiner Mönchskutte trennen, die nach drei Jahren Hausarrest vielleicht nicht mehr die frischeste war. Schließlich hatte der Kalif ein Einsehen und empfing Johannes in einer Art Privataudienz in kleinem Rahmen (siehe Anfang). Problem gelöst.
Endlich: Der Aufstieg
Nach drei Jahren kehrte Johannes nach Gorze zurück. Welche Eindrücke er aus dem blühenden Córdoba mitnahm, das damals zu den größten Städten der bekannten Welt gehörte, davon wissen wir nichts. Der Bericht über die Gesandtschaft ist Teil der Vita des Johannes. Leider bricht er mitten in der Audienz beim Kalifen ab. Breiten Raum nehmen Reden des Johannes ein, in denen er seinen Glauben verteidigt. Das gehört sich so, wenn man das Leben eines Bekenners und standhaften Erdulders aufschreibt. Der Autor der Vita war ein ehemaliger Mitbruder des Johannes, der die Geschichte von ihm selbst gehört haben will. Johannes verfügte ja über ein hervorragendes Gedächtnis und teilte vielleicht gerne seine Erinnerungen mit den anderen Mönchen. 967 starb Einold, der Abt von Gorze, und Johannes, der das 60. Lebensjahr vermutlich schon überschritten hatte, trat seine Nachfolge an. Man war ihm etwas schuldig. Hatte er doch das Kloster und den Königshof aus einer peinlichen Situation gerettet. Und so wurde aus dem Sohn eines unfreien Bauern der Abt eines bedeutenden und mächtigen Klosters. Hatte er den Aufstieg geschafft aufgrund seiner Leistung oder war es doch die diplomatische Mission an den Hof des Kalifen gewesen, die ihm nicht aufgrund seiner Verdienste übertragen worden war, sondern weil sich schlicht niemand anderes bereitfand?
Zu Teil 1 geht es hier.
Das Leben des Johannes liegt in einer Übersetzung vor mit einem fundierten einleitenden Kommentar:
Die Geschichte vom Leben des Johannes, Abt des Klosters Gorze, hrsg. und übersetzt von Peter Christian Jacobsen, Wiesbaden 2016 (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi, Bd. 81)
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