Auf die Menschen im Frankenreich muss er wie ein gigantisches Wesen aus einer anderen Welt gewirkt haben: Abul Abaz - der Elefant Karls des Großen. Abul Abaz war vielleicht der erste Dickhäuter, der nach den Kriegselefanten Hannibals 218 v. Chr. wieder die Alpen überquerte, wenn auch in umgekehrter Richtung. Seitdem waren fast 1000 Jahre vergangen. Kein Wunder, dass Abul Abaz soviel Aufsehen erregte. Über den grauen Riesen sind wir erstaunlich gut unterrichtet, in den fränkischen Reichsannalen wird er ganze vier Mal erwähnt (über keine der Frauen Karls des Großen äußern sich die Reichsannalen ähnlich geschwätzig). Er hat wohl mächtig Eindruck gemacht auf die fränkische Elite, der letzte heute noch lebende Vertreter aus der Ordnung der Probosciden (der Rüsseltiere für die Nichtbiologen). Der Elefant war ein Geschenk des Kalifen Harun ar-Raschid. 797 hatte Karl der Große eine Gesandtschaft zu Harun nach Bagdad geschickt. Vier Jahre später, Karl hielt sich nach seiner Kaiserkrönung in Pavia auf, erhielt er die Botschaft, Gesandte des Kalifen seien in Pisa eingetroffen. Der Kaiser ließ es sich nicht nehmen, die Gesandten selbst zu empfangen. Sie berichteten, der Jude Isaak, der einzige (namentlich bekannte) Überlebende der Gesandtschaft, die Karl zu Harun geschickt hatte, befinde sich mit großen Geschenken, darunter einem Elefanten, auf dem Rückweg. Karl gab Anweisung, man möge in Ligurien eine Flotte zusammenstellen, die die Geschenke und den Elefanten befördern könne. Der Transport eines ausgewachsenen Dickhäuters ist auch heute noch eine logistische Herausforderung. In der Antike baute man dazu Elephantagoi, spezielle „Elefantentransporter“. Doch wusste man um 800 davon nichts mehr. Ende Juni kehrte der Kaiser in den Norden zurück. Im Oktober kam Isaak mit dem Elefanten in Italien an. Wegen des Schnees konnte er die Alpen nicht mehr überqueren und bezog Winterquartier in Vercelli in der Nähe des Lago Maggiore. Am 20. Juli 802 erreichte Isaak mit dem Elefanten und allen anderen Geschenken endlich Aachen und übergab alles dem Kaiser. Tausende von Kilometern und die Überquerung der Alpen lagen hinter dem Dickhäuter und seinen Begleitern. Ein Vergnügen kann die Reise nicht gewesen sein, denn ein Elefant frisst und trinkt jede Menge und er möchte das in Ruhe tun. Erst anlässlich seines Todes taucht das Tier wieder in den Reichsannalen auf. 810 befürchtete Karl eine Invasion der dänischen Wikinger und rüstete sich zu einem Heerzug. Den Elefanten führte er mit sich. In der Nähe des heutigen Wesel sollten sich die fränkischen Truppen sammeln. Während Karl dort wartete, verstarb der Abul Abaz plötzlich.
Ein vergiftetes Geschenk?
Abul Abaz kam ursprünglich vermutlich aus Indien, Elefanten wurden am persischen Hof gehalten, vermehrten sich dort in der Regel aber nicht. Von einem Nachzuchtprogramm wie in heutigen Zoos ist nichts bekannt. Elefanten kamen in das Reich des Kalifen als diplomatische Geschenke von indischen Königen. Man nutzte die seltenen Tiere zu repräsentativen Zwecken. Afrikanische Elefanten waren zu Zeiten Haruns bereits aus Nordafrika verschwunden. Es war also ein außerordentlich großzügiges Geschenk, das der Kalif an Karl im fernen Frankenland schickte. Vielleicht auch ein bisschen demütigend. Wie sollte man so etwas toppen? Einhard schreibt in seiner Biografie Karls des Großen, Karl habe Harun um einen Elefanten gebeten und dieser habe ihm dann seinen einzigen geschickt. Das entspricht wahrscheinlich nicht der Wahrheit, sondern war ein Schachzug des Diplomaten und Höflings Einhard. So konnte man die Größe des Geschenks ein wenig minimieren. Doch wirklich wichtig war Karl für Harun nicht und in den arabischen Quellen wird der diplomatische Austausch auch nicht erwähnt. Karl wollte mit seinen Kontakten ins ferne Bagdad sein Prestige erhöhen, vermutlich auch ein wenig die byzantinischen Kaiser ärgern und die Umajjaden-Dynastie in Spanien. Schon Karls Vater Pippin hatte 765 eine Gesandtschaft nach Bagdad geschickt. Auch diese kehrte mit reichen Geschenken zurück. Man wusste schließlich in Bagdad, wie man sich den barbarischen Herrschern im Norden gegenüber zu verhalten hatte. Was Karl im Gegenzug Harun zukommen ließ, weiß man nicht. Notker berichtet 80 Jahre später, man habe friesisches Tuch und Jagdhunde von der besonders furchtlosen Sorte geschickt.
Ein Elefantenleben
Abul Abaz hat sein Leben wohl in einem Tiergarten in der Aachener Pfalz verbracht. Vielleicht begleitete er den Kaiser auf seinen Reisen oder auch auf dem ein oder anderen Heerzug. Möglich, dass er auch 810 eingesetzt werden sollte, um bei den Feinden Angst und Schrecken zu verbreiten, sicher wissen wir das aber nicht. Gestorben ist er vielleicht an einer Rinderseuche, die zu dieser Zeit im Reich grassierte.
Lust auf mehr?
Der Text stützt sich in weiten Teilen auf:
Achim Thomas Hack: Abul Abaz. Zur Biographie eines Elefanten, Badenweiler 2011
Wer sich mittelalterliche Bilder von Elefanten ansehen möchte, findet hier eine kleine Auswahl: www.schule-bw.de.
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Daniela (Dienstag, 07 März 2017 21:13)
Verwunderlich, dass vieles aus der damaligen Zeit nicht überliefert werden konnte, aber der Name eines Elefanten.
Rangfolge Elefant vvs. Frau -nun gut!
Woher wusste der Karl eigentlich, wie so ein Vieh zu halten ist?
Anne Mann (Freitag, 24 März 2017 21:04)
Na ja, der Elefant war schon eine mittelgroße Sensation. Um es zynisch zu sagen: Frauen gab es viele jenseits der Alpen, aber nur einen Elefanten. Vielleicht schickte der Kalif ein paar Tierpfleger mit, die Abul Abaz versorgten. Wir wissen es aber nicht. Karl der Große unterhielt in Aachen weitläufige umzäunte Wildparks, welche Tiere dort gehalten wurden, ist nicht sicher. Wildhengste vielleicht, Bären und Affen. Das hat natürlich etwas mit der Beherrschung der Natur zu tun.