Im Jahr 929 machten sich zwei angelsächsische Prinzessinnen auf den Weg über den Kanal. Ihr Ziel war der Hof des ostfränkischen Königs Heinrich. Der hatte König Aethelstan von Wessex, der als Gründer des Königreichs England gilt, um eine ganz besondere Braut für seinen Sohn Otto (den Großen) gebeten. Aethelstan schickte gleich zwei seiner Halbschwestern zur Auswahl. Das mag auch daran gelegen haben, dass das Königshaus von Wessex mit sehr vielen Prinzessinnen gesegnet war.
Heiratsverbindungen waren in der mittelalterlichen Adelsgesellschaft wichtig, um sich die Unterstützung führender Familien zu sichern. Nach diesem Prinzip hatten Könige bis zu Otto dem Großen höchstens überregional geheiratet. Doch für den ältesten legitimen Spross König Heinrichs sollte es eine Braut aus der Fremde sein. Das brachte exotisches Flair und Prestige an den ottonischen Königshof. Denn Heinrich hatte entschieden und durchgesetzt, dass nur der älteste seiner drei Söhne sein Nachfolger werden sollte. Da musste man den Thronfolger auch heiratstechnisch aufwerten. Die angelsächsischen Prinzessinnen waren begehrte Heiratskandidatinnen auf dem Kontinent. Sie waren finanziell gut ausgestattet und hatten mit König Oswald von Northumbrien (gest. 642) einen echten Märtyrer unter ihren Vorfahren. Oswald fiel im Kampf gegen das Königreich von Mercia, das letzte heidnische Reich der Angelsachsen. Sterbend soll er für das Seelenheil seiner Krieger gebetet haben. König Aethelstan war an engen Verbindungen zum Kontinent interessiert, er brauchte Unterstützung im Kampf gegen die räuberischen Dänen. Zehn Jahre vor Otto hatte bereits der westfränkische König eine der angelsächsischen Schwestern geheiratet. Genug Gründe für Heinrich, um sich auch für seinen Sohn eine Braut von der Insel zu wünschen.
Edgith und Edgiva, so hießen die beiden Schwestern, reisten mit dem üblichen Hofstaat und dem Bischof von Worcester an den ottonischen Hof. Der Hof entschied sich für Edgith, ihre Schwester schickte man nach Burgund, wo sie den Bruder des dortigen Königs heiratete. Die angelsächsische Gesandtschaft besuchte die wichtigsten Klöster und ließ sich in die Gebetsverbrüderungen aufnehmen. Den in der Heimat weilenden Bruder Aethelstan ließ man auch in die Listen schreiben. So etwas war nicht ganz billig. Denn die Klöster erwarteten eine finanzielle Gegenleistung.
Ein unspektakuläres Leben
Wir wissen nicht viel über Edgith. Bei ihrer Eheschließung war sie um die 19 Jahre alt. Zu ihrer Versorgung erhielt sie die Einkünfte aus Gütern um Magdeburg. Sie bekam mindestens zwei Kinder: Liutgard und Liudolf. Man kann davon ausgehen, dass sie das tat, was eine mittelalterliche Königin eben so tat: den königlichen Haushalt führen (keine Kleinigkeit bei einem herumreisenden Hofstaat), repräsentieren, vermitteln, beten. 946 starb Edgith und ganz Sachsen seufzte und weinte. Jedenfalls nach Meinung des Mönchs Widukind im Kloster Corvey. Sie wurde im Magdeburger St. Mauritius Kloster beigesetzt. Otto habe seine Gattin sehr geliebt und ihren Tod sehr betrauert, schreibt Thietmar von Merseburg ein halbes Jahrhundert später. Inwieweit das der Realität entspricht, lässt sich nicht sagen. Emotionale Bindungen zwischen Eheleuten sind im frühen Mittelalter mit großer Wahrscheinlichkeit anders interpretiert worden als heute. Otto ließ sich nach seinem Tod im Jahr 973 neben Edgith bestatten. Aber das lag vermutlich nicht an einer die Jahrzehnte überdauernden Liebe, sondern daran, dass er Magdeburg schon früh zum Ort seines Totengedenkens bestimmt hatte. Es entwickelte sich wohl in der ersten Zeit nach Edgiths Tod ein Heiligenkult um ihr Grab. Doch der frühe Tod ihres Sohnes, der nach einem Aufstand als Nachfolger seines Vaters ausfiel, ließ die Erinnerung an sie verblassen. Das hat auch mit der überragenden Stellung zu tun, die ihre Nachfolgerin Adelheid einnahm. Eine lokale Verehrung hat aber wahrscheinlich noch stattgefunden.
Edgith neu entdeckt
Man wusste, das Edgiths Leichnam im Lauf der Zeit mehrfach umgebettet worden war. 2008 entdeckte man bei Ausgrabungen im Magdeburger Dom einen Bleisarg, der laut Inschrift die sterblichen Überreste der Königin enthalten sollte. Viel war von dem Skelett nicht mehr erhalten. Aber nach einer gründlichen Untersuchung konnte man immerhin herausfinden, dass es sich um die Gebeine einer Frau zwischen 30 und 40 Jahren handelte, die etwa 1,57 Meter groß und in ihrem Leben oft zu Pferd unterwegs war. Sie konnte sich offenbar hochwertig ernähren mit viel Fleisch und noch mehr Fisch (Fastenzeit!). Die fehlenden Teile des Skeletts deuten auf einen Reliquienhandel mit den sterblichen Überresten hin. All das passt zu dem, was wir über Edgith wissen. Und so erfahren wir über ein paar Knochen, dass Edgith die Fastengebote wohl strikt einhielt, als Kind ein paar Infektionskrankheiten durchmachte, die ersten acht Jahre ständig in Südengland unterwegs war, dann einige Jahre stationär an einem Ort lebte. Edgiths Mutter wurde von König Edward geschieden, als Edgith neun Jahre alt war und lebte seitdem im Kloster, vermutlich mit ihrer Tochter. Passt also.
Quelle: Pressemitteilung des Landesamtes für Denkmalschutz und Archäologie Sachsen-Anhalt.
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