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Donald Trump und Karl der Große schlafen nicht


Was haben Donald Trump und Karl der Große gemeinsam? Sie machen die Nächte durch - arbeitend versteht sich.

Das Bild zeigt ein ungemachtes, verlassenes Bett

In der New York Times war vor kurzem zu lesen, Donald Trump verbringe ganze Vormittage vor dem Fernseher in seinem Schlafzimmer. Nun, wir sind gerade alle im Homeoffice, da kann einem der Tagesrhythmus schon einmal verrutschen. Nichtsdestotrotz ernannte sich Trump kurz darauf per Twitter zum am härtesten arbeitenden amerikanischen Präsidenten aller Zeiten und sein Stabschef Mark Meadows ließ verlautbaren, der Präsident habe ihn neulich sogar nachts um 3.19(!) Uhr angerufen. Ja, die Mächtigen wurden schon immer von Schlaflosigkeit gequält. Wir kennen das von Karl dem Großen, der jede Nacht sogar mehrfach seinen Schlaf unterbrochen haben soll.

Nach seinem Vertrauten Einhard wachte Karl der Große jede Nacht vier- bis fünfmal auf. Während gewöhnliche Sterbliche versuchen, unter Zuhilfenahme von Meditationsübungen (von 100 rückwärts zählen!) wieder in den Schlaf zu finden, nutzte der Kaiser die nächtlichen Unterbrechungen für Regierungsgeschäfte. Einmal erwacht, stand Karl der Große auf und ließ sich von seinen Dienern Kleider und Schuhe anziehen. Mit dem Anlegen der Kleidung stellte der Kaiser seinen Rang wieder her. Man kennt das ja vom Homeoffice: Bloß nicht in der Jogginghose arbeiten! Bereits während des Ankleidens wurden Freunde Karls eingelassen, um ihre Anliegen vorzubringen, was an das von Ludwig XIV. zelebrierte Lever, den Morgenempfang am Hof von Versailles erinnert. (Wobei es an Karls Aachener Hof vermutlich weniger zeremoniell zuging.) Auch für hohe „Beamte“ war der Kaiser des Nachts jederzeit zu sprechen. Hörte er von Rechtsstreitigkeiten, die in seine Zuständigkeit fielen, ließ Karl die betroffenen Parteien sofort in sein Schlafzimmer führen und sprach gleich an Ort und Stelle das Urteil. Einhard ist es nicht so sehr um die Schlaflosigkeit des Herrschers aufgrund der Bürde seines Amtes zu tun, sondern um das enorme Arbeitspensum Karls des Großen und dass man bei wichtigen Anliegen darauf vertrauen konnte, jederzeit vorgelassen zu werden. Realistisch ist das natürlich nicht. Nur wenige Auserwählte bekamen den Herrscher in seinem Schlafzimmer zu Gesicht. Und auch sonst waren die Wege zum Kaiser verschlungen und liefen mit Glück über den Freund eines Freundes eines Freundes, der die Königin kannte. Einhard schrieb seine Biographie Karls des Großen um 830, mehr als zehn Jahre nach dem Tod des Kaisers in einer politisch schwierigen Zeit, als sich Karls Sohn und Nachfolger Ludwig gegen eine Rebellion seiner Söhne wehren musste. Da galt es die Tatkraft und Ansprechbarkeit des alten Kaisers hervorzuheben, der Tag und Nacht korrekt gekleidet seinen Pflichten nachkam. Dass Karl sich nächtens auch noch im Schreiben geübt haben soll, das Schreibzeug stets unter dem Kopfkissen bereithielt, ist da schon fast keiner Erwähnung wert.

Uneasy lies the head that wears a crown

Shakespeare Heinrich IV.

Karls des Großen Schlafverhalten erinnert wiederum an Augustus, was kein Wunder ist, denn Einhard orientierte sich an den Kaiserviten des römischen Schriftstellers Sueton, besonders an dessen Augustusbiographie. Auch vom ersten römischen Kaiser wird berichtet, dass er bis tief in die Nacht hinein Rechtsstreitigkeiten entschied und seinen Amtsgeschäften nachging. Ging er dann endlich zu Bett, fand er keinen Schlaf, sondern wachte drei- bis viermal auf. Doch im Gegensatz zu Karl stand der kränkliche Augustus nicht auf, sondern ließ sich Vorleser kommen, um wieder in den Schlaf zu finden. Wie man sieht, machte Einhard Karl noch etwas arbeitsamer als sein römisches Vorbild.

Bei allen Unterschieden zwischen Augustus, Karl dem Großen und Donald Trump: Das Narrativ des schlaflosen Mächtigen hat sich seit 2000 Jahren nicht verändert.