Das Guggenheim Museum in Bilbao, beschienen von der Abendsonne
Man nehme einen Stararchitekten, etwas Wasser, etwas Kunst und viel Geld. Dann hat man den sogenannten Bilbao-Effekt. 1997 wurde in der nordspanischen Industriestadt das spektakuläre Guggenheim-Museum eröffnet, eine kurvenreiche Titanblechkonstruktion des US-Amerikaners Frank Gehry. Bis dahin hatten Kulturbeflissene die Stadt eigentlich nicht auf dem Schirm, allenfalls den „Bilbao-Song“ von Kurt Weill/Bertold Brecht, in dem Bilbaos schönstes Ballhaus besungen wurde. Für einen Dollar gab es dort Krach und Wonne, einen roten Mond, Brandylachen und auf dem Tanzboden wuchs das Gras. Für den Eintritt in das Guggenheim muss man 10 € bezahlen. Im Augenblick stellt die portugiesische Künstlerin Joana Vasconcelos ihre gigantischen Arbeiten in den großzügig bemessenen Ausstellungsräumen aus, unter anderem ein in zwei Jahren handgehäkeltes und -genähtes tonnenschweres Wesen, das seine Arme noch in die letzten Winkel des Museums steckt. Ein Schelm, wer an eine Krake denkt, es handelt sich um „Egeria“ eine Walküre, ein weiblicher Totendämon aus dem Gefolge Odins. Vasconcelos’ Walküre sammelt, leuchtdiodenaufgehübscht, gleichsam die Seelen der Besucher auf dem Museumsschlachtfeld ein.
Bilbao, die einst so graue Stadt der Eisenhütten und des Schiffbaus, hatte sich, geplagt von hoher Arbeitslosigkeit, ein kostspieliges „Facelifting“ verordnet. Das Guggenheim ist die entscheidende Gurkenscheibe in der stadtverschönernden Gesichtsbehandlung. Seit Jahren liegt die Besucherzahl verlässlich oberhalb der Millionengrenze. Der Fremdenverkehr sorgt für Arbeitsplätze, Steuermehreinnahmen und ein paar Euro lassen die Touristen auch noch in der Stadt liegen. Da fallen die Baukosten von 85 Millionen Euro kaum noch ins Gewicht. Wie bei Neuschwanstein. Wobei Puristen mäkeln, die Architektur dominiere die ausgestellte Kunst, der Titanblechbau nehme sich nicht genug zurück. Gleichwie, eines hat Frank Gehry geschafft, er hat den Einwohnern Bilbaos ihren Fluss zurückgegeben, indem er das Museum tieferlegte. In dieses Museum steigt man hinab statt hinauf. Muss man auch erst mal draufkommen.
Von links oben nach rechts unten:
Schön zum Schlendern und (noch) nicht so überlaufen: Bilbaos Altstadt.
Wo einst die alten Hafenanlagen standen, hat man moderne Wohnhäuser gebaut.
Das 5 Sterne Hotel Marqués de Riscal in La Riojas Provinz Álava, eine Autostunde von Bilbao entfernt, wurde ebenfalls von Frank Gehry eingewellt. Neun Jahre später als das Guggenheim.
"Bewacht" das Guggenheim: der West-Highland Terrier Puppy, eine Skulptur von Jeff Koons. Koons nimmt Bezug auf die formalen Gärten des 18. Jahrhunderts. Wird zwei Mal im Jahr bepflanzt. Hat ein bisschen was von Gartenschau.
Ein neues Wohnzimmer für Dundee
Victoria & Albert Museum in Dundee ©Hofton+Crow
Etwas Ähnliches hat man im schottischen Dundee versucht. Einst florierte die Industriestadt an der Mündung des Tay: Walfang und indische Jute brachten Geld in die Kassen. Dundee ist außerdem berühmt für die Orangenmarmelade („jam“), die Janet Keiller (1737 - 1813) aus spanischen Bitterorangen kochte. Doch die glorreichen Zeiten sind vorbei. Seit 2001 versucht die Stadt sich neu zu erfinden. Aus der Stadt der Jute und Marmelade ist die Stadt der Computerspiele und Comics geworden. Und Dundee investiert in die Umgestaltung der alten Industrieanlagen. Herzstück ist der am 15. September eröffnete Ableger des Victoria & Albert Museums, V&A Tay nennen es die Schotten, weil es sich so nett reimt. Entworfen hat es der japanische Stararchitekt Kengo Kuma. Er hat sich von den Felsklippen der schottischen Nordseeküste inspirieren lassen, gleichzeitig wirkt sein Museum wie ein gewaltiger Schiffsbug, der sich in den Fluss hinausschiebt. Kengo Kuma gilt als Verfechter einer Verbindung von Natur und Architektur und hat damit einen anderen Ansatz als Frank Gehrys Guggenheim-Museum, mit dem sein Bau naturgemäß immer wieder verglichen wird. Ein Vergleich, den Kuma nicht sonderlich schätzt.
Scottish Design Gallery: The Inspiration Wall ©Hufton+Crow
Was gibt es in Dundee zu sehen? So etwas. Von links nach rechts:
Hunter Gummistiefel 1989, seit den späten 80ern modisches Accessoire der gehobenen Mittel- und Oberschicht, © Hunter Boot Limited Photo ©Victoria and Albert Museum
Dennis the Menace strip (The Beano & Beano Studios), David Law 1960. © DC Thomson & Co Ltd, Dundee
Thronstuhl von Robert Home, ©Victoria and Albert Museum London
Natürlich explodierten auch in Dundee die Kosten, aus den veranschlagten 45 Millionen Pfund wurden am Ende etwas mehr als 80 Millionen. Wenn es so läuft wie in Bilbao, haben sich die Ausgaben in einigen Jahren amortisiert. Sicher ist das allerdings nicht, das Guggenheim gilt bis jetzt als einziges gelungenes Beispiel für den Bilbao-Effekt, der eine ganze Region aus dem touristischen Dornröschenschlaf reißt. Wie im Londoner Victoria & Albert werden in Dundee Handwerk und Design präsentiert - mit schottischem Bezug. Das Londoner Mutterhaus stellt die Exponate (12.000 hat man gefunden) und das Fachwissen, ansonsten wird das Haus in Eigenregie geführt, subventioniert von der schottischen Regierung. Angeblich ist die Zahl der Übernachtungen schon gestiegen und das Wall Street Journal hat Dundee zu Schottlands „coolster“ Stadt erklärt. Warten wir es ab.