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Wir sind dann mal weg

Kaiser und Kollegen danken ab

Novemberrevolution: Demonstration in Berlin Unter den Linden am 9. November 1918.
Novemberrevolution: Demonstration in Berlin Unter den Linden am 9. November 1918. Foto: Bundesarchiv Koblenz

Ein goldener Handschlag

Der Kaiser in Zivil mit Zigarre. Haus Doorn 1933
Der Kaiser in Zivil. Haus Doorn 1933. Um Entführer zu verwirren, hatte er sich nach seiner Flucht einen Vollbart stehen lassen, den er dann beibehielt. Foto: Bundesarchiv Koblenz

Besucher klagten über karge Kost und die Bediensteten über kargen Lohn. Man war knauserig in Haus Doorn, dem niederländischen Exil des ehemaligen deutschen Kaisers. Fragt sich warum, denn die Regierung der neuen deutschen Republik erwies sich als überaus großzügig. Schließlich musste für einen standesgemäßen Unterhalt des Kaisers und der Kaiserin Sorge getragen werden. Noch im November 1918 wurden 652.000 Reichsmark überwiesen, sicher zur Erleichterung der niederländischen Regierung, denn die Frage stand im Raum, wer für den Unterhalt der Geflüchteten bezahlen sollte, die zunächst bei dem duldsamen Graf Godard von Bentinck in Schloss Amerongen untergekommen waren. Den niederländischen Steuerzahlern war das kaum zuzumuten. Natürlich war das nur ein Tropfen auf den heißen Stein und so folgten im Januar 1919 acht Millionen Reichsmark, im August 1,2 Millionen, im September sechs Millionen und so weiter, am Ende kamen im ersten Jahr des Exils rund 66 Millionen Reichsmark zusammen, die an den ehemaligen Kaiser gingen. 

Salon der Kaiserin. Haus Doorn 1933
Salon der Kaiserin. In Haus Doorn galten noch die alten Titel. Foto: Bundesarchiv Koblenz

Am 1. September 1919 gab der preußische Finanzminister dann Möbel und sonstige Einrichtungsgegenstände aus den hohenzollernschen Schlössern frei. Der „Umzug“ wurde mit 59 Eisenbahnwaggons bewerkstelligt - darin befanden sich auch jede Menge Uniformen, Helme, Schlachtengemälde und sonstiger kaiserlicher Nippes. Kurz zuvor hatte Wilhelm für 1,35 Millionen Gulden Haus Doorn erworben, das behaglich mit Aufzug und Zentralheizung renoviert wurde. 1921 forderte der Hausminister des ehemaligen Kaisers noch einmal einen Nachschlag von zehn Millionen, die auch zähneknirschend bewilligt wurden. Gerne tat man es nicht, aber man tat es. Bei einem Volksentscheid im Juni 1926 stimmten immerhin 37 % der Wähler für eine entschädigungslose Enteignung der deutschen Fürsten. So schlimm sollte es nicht kommen, ein Drittel der 60 ehemals königlichen Schlösser wurde den Hohenzollern zugesprochen, dazu noch ein paar andere Kleinigkeiten. Als Wilhelm 1941 in Doorn starb, starb er als reicher Mann. Trotzdem fühlte er sich als Opfer eines Raubzuges der „verdammten Republik“.    

Eine schwäbische Revolution

Briefmarke aus Anlass des 25jährigen Thronjubiläums Wilhelms II. von Württemberg 1916
Briefmarke aus Anlass des 25jährigen Thronjubiläums Wilhelms II. von Württemberg 1916. Der König wurde ausgiebig gefeiert. Umso mehr schmerzte es ihn, dass man ihn zwei Jahre später im Stich ließ.

„Der arme Kaiser. Ich habe nur tiefes Mitleid für ihn; von solcher Höhe gestürzt und nun der Abgang, die Flucht, nicht einmal würdig.“ Im Gegensatz zu seinem Namensvetter begab sich der württembergische König Wilhelm II. „hoch erhobenen Hauptes“ ins 40 Kilometer von der Landeshauptstadt entfernte Bebenhausen ins Exil. Persönlich hatte man den König nie bedroht, doch es hatte ihn gekränkt, dass am 9. November 1918 um die 100 „Umstürzler“ in seinen Wohnsitz, das Wilhelmspalais, eindringen konnten und die rote Fahne auf dem Gebäude hissten. Man hatte den König im Stich gelassen, die Wachen waren wie vom Erdboden verschluckt, nur ein Leutnant, der seinen Degen nicht abgeben wollte, wurde blutig geschlagen, um anschließend von den Aufständischen verbunden zu werden. Es war halt ein „Revolutiönle“, das schwäbisch gesittet ablief. Die neue Regierung drängte auf eine Abdankung, aber der in der Bevölkerung beliebte Wilhelm nutzte seine Verzichterklärung als Druckmittel, um eine angemessene Versorgung herauszuschlagen. Man einigte sich schließlich auf eine jährliche Rente von 200.000 Reichsmark. Und am 30. November 1918, zwei Tage nach dem Kaiser, verzichtete Wilhelm auf den Thron. Das Ungemach der Revolution hatte der ehemalige König und jetzige Herzog von Württemberg bald überwunden. Zum Jahreswechsel fühlte er sich bereits wieder imstande auf die Jagd zu gehen.    

Und eine schwäbische Wiedergutmachung

73 Jahre nach der Entmachtung meinten die Stuttgarter, sie müssten etwas wieder gutmachen. Die Bürgerinitiative „Ein Denkmal für den Bürgerkönig Wilhelm II. Stuttgart e.V.“ appellierte an das schlechte Gewissen der Schwaben und sammelte fast eine Viertelmillion Mark. Seit 1991 stand ein 2,38 großer, freundlicher älterer Herr in Bronze mit seinen beiden Spitzhunden Ali und Ruby vor dem Wilhelmspalais. Der König als Spaziergänger, zu dessen Füßen stets ein frischer Strauß Blumen lag. Ob der König sich auf diesen Stuttgarter Ablasshandel eingelassen hätte? Wohl kaum, denn der König war nachtragend, keinen Fuß setzte er mehr auf Stuttgarter Boden, ließ sich in Ludwigsburg begraben und verfügte, dass sogar der Trauerzug Stuttgart in weitem Bogen umfahren müsse. Im Sommer 2018 hagelte es empörte Leserbriefe königstreuer Sympathisanten, weil das Denkmal vom Haupteingang auf die abgelegene Südseite des Gebäudes verbannt wurde. Was nur folgerichtig ist, denn das Wilhelmspalais, in Stadtpalais umbenannt, beherbergt jetzt das Stadtmuseum, ist somit ein Bürgermuseum mit dem König als distanziertem Beobachter.

Denkmal Wilhelms II. von Württemberg
Direkt neben dem Eventbereich und somit nah beim Volk hat man den König und seine beiden Hunde jetzt platziert.

Der „Herr Keenich“ soll, so will es die Legende, in vorrevolutionären Zeiten mit seinen beiden Hunden durch Stuttgart spaziert sein, leutselig Honoratiorenschwäbisch parlierend und allzeit bereit, für ein bettelndes Kind ein Bonbon aus der Tasche seines Rockes zu ziehen. Zeitgenossen bescheinigten ihm allerdings bestes Hochdeutsch, ja sogar eine preußische Kommandostimme. Wie auch immer, Wilhelm war ein Kind seiner Zeit, er hielt nichts von einer Regierung aus „Autodidakten“, deren Minister er nicht in guter paternalistischer Manier ausgesucht und für gut befunden hatte. Zum Demokraten sollte man ihn nicht verklären. Aber immerhin fand er die Bevölkerung in Friedrichshafen sehr nett und freundlich, trotz der zahlreichen Arbeiterschaft.

Zum Nach- und Weiterlesen

zu Kaiser Wilhelm II.

Röhl, John C. G.: Der Weg in den Abgrund 1900-1941, München 2018 (Verlag C.H. Beck)

Abschlussband der dreiteiligen Monumentalbiographie Wilhelms II. Röhls Schlussfolgerungen sind nicht unumstritten.

Röhl, John C. G.: Wilhelm II., München 2013 (Beck Wissen)

Die kürzere Version auf 100 Seiten.

Clark, Christopher: Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers, München 2009 (Pantheon Verlag)

Das Alternativprogramm zu Röhls Fleißarbeit.

 zu Wilhelm II. von Württemberg

Sauer, Paul: Württembergs letzter König. Das Leben Wilhelms II., Stuttgart 1994 (Deutsche Verlagsanstalt)

Im Lichte neuer Quellen: Wilhelm II. - der letzte König von Württemberg. Katalog zur Ausstellung, bearbeitet von Albrecht Ernst, Stuttgart 2015 (Verlag W. Kohlhammer)